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Kahlschlag am Leinpfad; Fotos: Stefan Ziegler

„Nachhaltiger“ Pappelkahlschlag in den Rheinauen

Ende November 2011 machten Spaziergänger am Rheinufer bei Eggenstein-Leopoldshafen eine schlimme Entdeckung: Sämtliche Pappeln vom Ufer bis zum ersten Rheindamm waren gefällt, und riesige Stapel von gefällten Stämmen lagen herum.

Leider ist dieser Vorgang kein Einzelfall, denn schon seit über 10 Jahren werden systematisch jedes Jahr große, meist angrenzende Flächen gerodet. U. a. gab es im Jahr 2000 auch eine Petition im Landtag (12/8146 betreffend Erhaltung von Bäumen am Leinpfad).

Auf dem Leinpfad, auch Treidelpfad genannt, wurden früher die hölzernen Schiffe mit Zugtieren flussaufwärts gezogen (getreidelt). Zwischen Basel und den Niederlanden ist er übrigens noch fast vollständig erhalten.

Auslöser der aktuellen Fällaktion war ein Beinahe-Unfall im Juni 2011, als ein Ast hinter einer Gruppe Radfahrer auf den Leinpfad stürzte. Bei einer daraufhin erfolgten Inspektion seien zahlreiche Dürräste sowie mehrere (5-6!) stammfaule Pappeln entdeckt worden. Die Pappeln hätten angeblich mit 75 Jahren ihre Altersgrenze erreicht und seien mit ihrem spröden Stammholz besonders windbruchgefährdet, so der zuständige Förster Friedhelm Booms. Tatsache war, dass die Radler von der Stelle, an der der Ast, den man übrigens bequem wegtragen konnte, zu Boden fiel, über 20 m entfernt waren.

Auszug aus einem BNN-Artikel (Hardt-Ausg. vom 20. Sept. 2011): „Um die Verkehrssicherheit komme man nicht herum, macht denn auch Thomas Eichkorn klar, der im Landratsamt für die meisten Wälder im BNN-Hardtgebiet zuständig ist. „Was gefährlich sei — Pappeln in diesem Alter und in dieser Höhe könnten bei einem Gewitter oder bei stärkerem Wind brechen —, müsse weg. Sicherheit gehe vor Landschaftsschutz. Man werde aber stehen lassen, was möglich sei ...“

Diese Aussage, gefährliche Bäume in der Nähe des viel von Spaziergängern begangenen Überweges zu entfernen, steht außer Frage. Was dann aber in Wahrheit geschah, straft diese Behauptung als unglaubliche Verharmlosung ab. Es wurden 550-600 größtenteils gesunde Bäume einer durchschnittlichen Höhe von über 30 m mit Stammumfängen bis zu 2 m auf einer Fläche von 2,5 ha (entspricht 3 Fußballfeldern) gefällt. Auch in der nördlich davon gelegenen Gemarkung von Linkenheim-Hochstetten wurden über 1 ha (1,5 Fußballfelder) gerodet. Die gefällten Pappeln wurden auch wirtschaftlich nicht nachhaltig „behandelt“: Sie wurden nicht in der Nähe verarbeitet, sondern mit über 70 LKW-Ladungen nach Basel verfrachtet, um in Italien zu Möbeln u. a. verarbeitet zu werden.

Auch forstrechtliche Bestimmungen bei der „Holzernte“, wie das ausschießliche Befahren von sogenannten Rückegassen durch die Maschinen, wurden besonders im zweiten Fällgebiet missachtet, so dass es zu zu umfangreichen Bodenschädigungen gekommen ist. Die gesamte Fläche soll 2012 vorwiegend mit Stieleichen und anderen Laubgehölzen bepflanzt werden. Dies misslang teilweise auf vorangegangenen Flächen, so dass teure Nachpflanzungen erforderlich wurden.

Auch die Behauptung, die dort überwiegend wachsende Hybridpappel sei bei uns nicht heimisch, mutet absurd an, wenn man bedenkt, dass etwa 300 m weiter nördlich nach der dortigen „Pappelvernichtung“ z. B. Dutzende Ginkgos entlang des Leinpfads gepflanzt wurden. Besser wäre hier die Pyramidenpappel geeignet, die aufgrund ihrer schlanken, schmalkronigen Form wesentlich sturmsicherer und weniger bruchgefährdet ist. Der damalige Protest forderte diese Anpflanzung, die auch vom Wasser- und Schifffahrtsamt sowie vom Forstamt versprochen, aber bis heute nicht ausgeführt wurde. Die Eiche als stärkster Pfahlwurzler hat überhaupt keine Chance, einen Bestand zu erbringen, wie die Pappel es tat. Es wird zehnmal länger dauern, bis eine annähernd große Biomasse entstanden ist. Ein nachhaltigeres, weniger brutales Vorgehen kann man südlich von Eggenstein auf der Gemarkung Karlsruhe beobachten. (Einzelentnahmen, Kleinstkahlflächen).

Es drängt sich der Verdacht auf, dass unter dem Vorwand der Verkehrssicherungspflicht unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden sollen und nach den Walddesign-Plänen eines zwar engagierten, aber unter Umweltgesichtspunkten falsch programmierten Forstbeamten ein aufgeräumter Eichenwald entstehen soll, der im Vergleich zur Pappel viel weniger Lebensraum für Kleintiere aller Art bietet.

Diese Aktion war zwar vom Gemeinderat beschlossen und damit, wie andere prominentere Beispiele, juristisch vermutlich korrekt, aber unter Umweltaspekten völlig überzogen und in ihren Auswirkungen katastrophal. Leider wurden die Bürger wieder schlecht oder sogar falsch, zumindest einseitig informiert. Nun ist es zu spät — die Bäume sind weg. Diese Politik werden wir uns auf Dauer nicht mehr leisten können. Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur.

Wilhelm Knobloch & Hans Seiler

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 1/12

Stand des Artikels: 2012! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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