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Klage Rheinbrücke — Jetzt gilt’s!

Anklicken zum vergrößern; Grafik: Heiko Jacobs, Hintergrund (C) openstreetmap.org und Mitwirkende

Bekanntlich laufen seit März 2011 zwei Planfeststellungsverfahren für den Bau einer weiteren Rheinbrücke zwischen Karlsruhe und Wörth im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans (irreführend als „Zweite Rheinbrücke“ bezeichnet). Ca. 1,5 km nördlich der bestehenden Rheinquerung mit Straßen- und Eisenbahnbrücke soll eine weitere Straßenbrücke gebaut werden, die sowohl in der Pfalz als auch in Karlsruhe mit einem Schlenker an die Hauptachse (B 10) angebunden werden soll. In der Pfalz verläuft die Trasse am Rand der Naturschutzgebiete der Rheinauen entlang, die mit einer ungewöhnlichen Zahl von geschützten Arten einen hohen Schutzstatus enthalten, obwohl eine deutlich unproblematischere Alternativführung parallel der bestehenden Bestandsachse möglich wäre. Auf beiden Seiten macht die Planung auch verkehrlich wenig Sinn. Im Westen wird die Trasse an die B 9 angebunden, über die nur Bruchteile des Verkehrs fließen. Im Osten ist ein Abfluss zusätzlichen Verkehrs nicht vernünftig möglich. Logische Folge dieser Planung — sollte sie realisiert werden — wären zusätzliche Verkehrsprobleme in Karlsruhe und ein erhöhter Druck, den zusätzlichen Verkehr über eine zweite dann auch noch zu bauende Stadtautobahn (irreführend: „Nordtangente“) abfließen zu lassen. Im neuen Bundesverkehrswegeplan ist ein Zwischenstück der Nordtangente zwar nicht mehr enthalten. Sollten die aktuellen Planungen realisiert werden, ist allerdings mit einer Reaktivierung der alten Pläne zu rechnen. Die Planungsbehörde in Rheinland-Pfalz, die nur bis an das andere Ende des Rheins plant, weigert sich strikt, die (Nicht-)Weiterführung des Verkehrs auf Karlsruher Seite zu betrachten, da sie das als Aufgabe der baden-württembergischen Planer ansieht.

Die Existenz einer Eisenbahnbrücke und die mit relativ geringem Aufwand zu realisierenden Möglichkeiten einer Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene werden in den Planfeststellungsverfahren genauso wie im Bundesverkehrswegeplan völlig ignoriert. Die formal auf mehrere Projekte und mehrere Planfeststellungsverfahren aufgeteilten Teilmaßnahmen sind selbst im Bundesverkehrswegeplan mit einem äußerst dürftigen Nutzen-Kosten-Faktor bewertet worden. Und das, obwohl die eindeutig ideologisch motivierten Weichenstellungen des Bundesverkehrswegeplans Straßenbauprojekte gezielt begünstigen und Projekte auf der Schiene gezielt benachteiligen. So gilt etwa ein Pendler von Neustadt/Weinstraße auf der Straße als Fernverkehr und rechtfertigt damit für das Bundesverkehrsministerium den Bau von Straßen, während dieser Pendler in der Bahn als Nahverkehr gilt und die so dringend erforderliche Elektrifizierung der Strecke Neustadt — Wörth samt zweigleisigem Ausbau von Winden nach Wörth deshalb aus dem Bundeshaushalt nicht finanziert werden darf. Bei der Rheinbrücke musste man dabei sogar noch einmal zu einem zusätzlichen Trick greifen, um den Nutzen-Kosten-Faktor von 1,0 zu erreichen, der erst überhaupt eine Finanzierung ermöglicht. Drei Projekte des Bundesverkehrswegeplans — die beiden Rheinbrückenabschnitte und die Anbindung auf badischer Seite an die B 36 — hat man für die Bewertung zusammengefasst und dürfen ganz offiziell nur als Gesamtheit betrachtet werden. Konsequenterweise würde das bedeuten, dass Geld für den Bau auch erst dann bereitgestellt werden dürfte, wenn auch der Weiterbau zur B 36 geplant und sichergestellt wäre. Der Bundesrechnungshof und der Rechnungsprüfungsausschuss haben das in den vergangenen Jahren immer wieder angemahnt. Auch da wäre die Weiterführung in Richtung Nordtangente also vorprogrammiert.

Die Stadt Karlsruhe lehnt den Bau ebenfalls als nicht zielführend ab. Es droht zusätzlicher Verkehr, den das städtische Straßennetz nicht aufnehmen kann. Eine zusätzliche Achse für den Güterfernverkehr, auf die die Planungen langfristig zielen, hat mitten in einer Großstadt erst Recht nichts zu suchen. Während der Bundesverkehrswegeplan anderenorts eine kaum überschaubare Zahl von Ortsumgehungen zur Entlastung der Gemeinden vorsieht — allein für Baden-Württemberg sind 74 geplant — soll in und durch Karlsruhe mehr Verkehr geschwemmt werden. Ein offenbar einmaliger Fall. Bislang ist kein anderes Beispiel bekannt, in der der Bund eine Bundesstraße gegen den Willen einer Großstadt durch deren Gebiet durchgesetzt hat.

Bahnbrücke neben der 1. Autobrücke; Foto: Uwe Haack
Eine der v. Bauvorhaben betroffenen Arten ist die europarechtl. geschützte Knoblauchkröte; F.: J. Niederstraßer
Lebensräume von Amphibien, aber auch vieler anderer Tier- und Pflanzenarten sind durch die Rheinbrückenpläne in Gefahr; Foto: M. Däschner

Da es verkehrlich erst recht keinen Sinn macht, wenn ein Huhn ein halbes Ei legt, hatten die Planfeststellungsbehörden stets zugesagt, etwaige Planfeststellungsbeschlüsse stets zeitgleich zu erlassen. Dieses Versprechen hat das Regierungspräsidium Karlsruhe nun gebrochen. Unmittelbar nach der Bundestagswahl Ende September — der Zeitpunkt war sicher nicht zufällig gewählt — ist es mit einem Planfeststellungsbeschluss vorgeprescht, der nur den Abschnitt vom Ölkreuz an der B 10 bis zum Rhein umfasst. Der politische Druck einer Öffentlichkeit, die vor allem in der Pfalz und im Umland von Karlsruhe die mit der Planung verbundenen Probleme nicht zur Kenntnis nimmt und die das Landesverkehrsministerium und das Regierungspräsidium — leider zu Unrecht — immer als Bremser darstellte, war offenbar zu hoch.

Zerstörerische Rheinbrückenplanung

Dabei waren es vor allem die großen naturschutzrechtlichen Bedenken auf Pfälzer Seite, die die Planer bis heute nicht in den Griff bekommen haben, die den Erlass der Planfeststellungsbeschlüsse verzögern. Es ist schon viel über die Unsinnigkeit dieses Projektes vor allem aus verkehrlicher Sicht gesagt und geschrieben worden, daher sollen an dieser Stelle auch einmal mehr Aspekte jenseits des Themas Verkehr betrachtet werden. Die auf badischer Seite geplante Trasse der neuen Brücke und ihrer Zufahrten durchschneidet oder berührt zahlreiche Biotope in der Rheinniederung, die bereits heute durch Straßen und Gewerbeflächen zerteilt sind. Umso wichtiger ist also, diese verbliebenen Lebensrauminseln vor einer weiteren Beeinträchtigung zu schützen. Einige der hier vorkommenden Tierarten sind selten und streng geschützt wie beispielsweise alle Fledermausarten, mehrere Amphibienarten oder die Zauneidechse. Abgesehen von der fortschreitenden Zerschneidung der Lebensräume, die je nach Art früher oder später zum Erlöschen von Populationen führt, kommt es durch die Baumaßnahmen jedoch auch zur direkten Vernichtung von Biotopen, etwa von Gewässern, die als Laichplätze für Amphibien von Bedeutung sind. Auch zahlreiche (Auen-)Waldlebensräume und Wiesenflächen sind davon betroffen. Der hohe Versiegelungsgrad und die baustellenbedingten Störungen durch Lärm und Staub sind weitere negative Auswirkungen. Für den Menschen direkt wahrnehmbar wird es zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Erholungsfunktion in dem Gebiet kommen.

Besonders auf rheinland-pfälzischer Seite werden Verluste wertvoller landwirtschaftlich nutzbarer Böden zu beklagen sein, und der Fortbestand von deutschlandweit bedeutsamen Brutvogelvorkommen wird riskiert. Als wäre das alles noch nicht genug, wird mit den Folgeprojekten wie dem Anschluss an die B36 und damit dem zu befürchtenden Weiterbau der Nordtangente eine weitere Welle an Natur- und Landschaftszerstörungen ausgelöst, die in der jetzigen Planung noch gar nicht enthalten sind. Die vorgeschriebenen natur- und artenschutzrechtlichen Untersuchungen waren lange Zeit im Planfeststellungsverfahren unzureichend oder fehlerhaft und wurden erst in Folge massiver Kritik durch Umweltverbände und Naturschutzexperten der Stadt Karlsruhe überarbeitet und ergänzt. Doch auch jetzt enthalten die Unterlagen gravierende Mängel, was sich besonders an den vorgeschlagenen Maßnahmen zum Artenschutz zeigt: Hier sollen beispielsweise viel zu weit entfernte Ersatzlebensräume geschaffen werden, die in keinem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem betroffenen Gebiet stehen.

Besonders unverständlich ist, dass die Alternative, nämlich der auch von uns befürwortete Bau einer Ersatzbrücke an alter Stelle, nie ernsthaft geprüft wurde, obwohl eindeutig festgestellt wurde, dass dies die wenigsten Eingriffe in Natur und Landschaft zur Folge hätte. Stattdessen haben wir nun eine Planung, die einer überholten autofixierten Verkehrspolitik folgt und auf der irrsinnigen Haltung beruht, einer immer weiter wachsen wollenden Wirtschaft einmalige Naturressourcen opfern und die dabei entstehenden Schäden einfach ausgleichen zu können!

Auch aus Sicht von Klimaschutzbestrebungen und einer dringend benötigten ökologischen Verkehrswende ist das Projekt abzulehnen. Am Ende bleibt zu hoffen, dass die Realisierung dieser sich auf die Umwelt verheerend auswirkenden Planung durch eine Klage bis zum 30.11. verhindert werden kann. BUZO, PRO BAHN und VCD sind Teil eines Bündnisses, das sich schon seit Jahren gegen die Idee einer neuen Rheinbrücke 1,5 km nördlich der bestehenden Brücken wehrt, und befürworten diese Klage. Der BUND koordiniert die hierfür notwendige Sammlung von Spenden mit dem Spendenkonto „Keine 2. Rheinbrücke, keine Nordtangente“, IBAN DE98 6605 0101 0108 2558 37, Sparkasse Karlsruhe. Wir bitten um Unterstützung!

Der Planfeststellungsbeschluss ist veröffentlicht unter rp.baden-wuerttemberg.de/rpk/Abt2/Ref24/Seiten/B10-2-Rheinbruecke.aspx

Für jeden inhaltlichen Hinweis auf konkrete Kritikpunkte am Planfeststellungsbeschluss sind wir dankbar.

Mari Däschner
Reiner Neises

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/17

Stand des Artikels: 2017! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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